10. Früh übt sich, wer kein Macho werden will

 

„Großartig!“, jubele ich am Frühstückstisch. „Haben wir nicht eine wunderbare Zeitung abonniert!?“ Mit meiner Freude reiße ich den Mann, mit dem ich seit Jahren nicht nur das Frühstück, sondern auch die Passion teile, dabei Zeitung zu lesen, aus seiner Lesekonzentration. „Schau mal,“ begeistere ich mich, „das hat die „Gießener Allgemeine“ doch wieder richtig gut gemacht: auf derselben Seite wie die Serie über hausarbeitende Kinder die Philosophin, die übers Putzen schreibt. Und das am Weltfrauentag!“ Er blickt von seiner Zeitung auf und runzelt die Stirn: „Am Weltfrauentag schreibt eine Frau übers Putzen?“ Und grinst, als er fortfährt: „Ja, doch, das gefällt mir!“

"Umso wichtiger, dass alle Jungs von Anfang an das Putzen lernen, oder?“ (Foto: M.Ihle)


„Nein“, belehre ich ihn, „es handelt sich um eine Philosophie des Putzens. Da geht es ums Putzen für alle Geschlechter!“ sage ich – und mir fällt ein Gespräch mit anderen Müttern ein, das wir geführt hatten, als unsere Kinder noch klein waren.

 

Da hatte sich so manche unter uns gewünscht, dass ihre Schwiegermutter ihrem Sohn mehr Haushaltskompetenzen mit auf den Lebensweg gegeben hätte. Eine beklagte sich, dass ihrem Mann die „Bedienung“ eines Putzlappens komplizierter zu sein schien als die seines Videogerätes. Eine andere hatte von der Überzeugung ihres Lebensgefährten berichtet, dass das moderne „Wasserclosett“ sich von alleine reinige. Es gab die Freundin, deren Liebster ihre Bitten, dass er sich am Putzen beteiligen möge, konterte – während er genüsslich das von ihr auf den Tisch gestellte Essen verspeiste – dass Haushaltsarbeit „kleinkariert“ und „spießig“ sei. Und es kursierte die Geschichte des zur Beteiligung an der Hausarbeit gezwungenen männlichen Wesens, das sämtliche Kaschmir-Pullover seiner Gattin in die Kochwäsche gegeben hatte, um damit sicher zu stellen, dass er nie wieder die Waschmaschine bedienen müsse. „Seht ihr!“ mischte sich Karola ins Gespräch, „das ist einer der Gründe, warum ich nicht nur Jule, sondern auch Lukas all das beibringe, was die gute Hausfrau und der gute Hausmann können muss. Und wisst Ihr,“ - fuhr sie mit dem ihr eigenen Humor fort, „was einen Mann besonders erotisch macht? Eine Spülbürste und ein Scheuerlappen in seiner Hand.“ Und schon hatte sie sich in Rage geredet: „Was ich überhaupt nicht verstehe: warum Leute, die Kinder haben, eine Putzfee beschäftigen. Wie sollen die Kinder denn dann das Putzen lernen!? Und Respekt bekommen vor dieser Tätigkeit? Und außerdem: Zu Unrecht regt Ihr Euch über Eure Schwiegermütter auf! Man lernt von Vorbildern – und das waren doch die Schwiegerväter, die auch keine Hausarbeit gemacht haben!“

 
Natürlich gab es unter uns auch welche, die einen von diesen „Ausnahme-Männern“ erwischt hatten, die das Geheimnis der Liebe längst kannten. Ich träumte noch davon – und daher leuchtete mir Karolas Argument auch sofort ein, vor allem die Söhne frühzeitig an der Hausarbeit zu beteiligen. Inzwischen weiß ich selber, wie gemeinsame Verantwortung für die Hausarbeit die Liebe stärkt. Ja, Putzlappen in Männerhand sind durchaus erotisch.

 

Ich setze das Frühstücks-Gespräch fort, indem ich aus der Zeitung zitiere: „Putzen kann entspannend, körperlich herausfordernd und sinnvoll sein – genau wie Sport, sagt Nicole Karafyllis“. Und weiter lese ich aus dem Artikel der Philosophie-Professorin vor: „Es ist eine der wenigen Tätigkeiten, bei denen ich Zeit habe nachzudenken. Völlig zu Unrecht fehlt dem Putzen die gesellschaftliche Anerkennung“.

 

„Das hat die Soziologie schon längst herausgefunden: wenn in einem gesellschaftlichen Bereich hauptsächlich Frauen tätig sind, hat er keine Anerkennung“, trägt der Mann, der nicht nur putzt, sondern auch liest, zu unserem Gespräch bei. „Umso wichtiger, dass alle Jungs von Anfang an das Putzen lernen, oder? Deswegen finde ich es gut, dass dieser Artikel am Weltfrauentag erscheint“, will ich recht behalten. „Na, dann hast du aber ein Problem“, scherzt mein Liebster, „wann soll denn dann dein Artikel übers Putzen gedruckt werden? Der Weltfrauentag ist ja gerade vorbei.“ „Jeder Tag ist ein guter Tag, an dem darüber geschrieben wird, dass Jungs das Putzen lernen“, kontere ich. „Soll ich dir mal noch etwas verraten?“ fragt er schelmisch. „Meine Eltern haben mir das Putzen auch nicht beigebracht.“ „Trotzdem hast Du es gelernt! Das ist erst Recht eine gute Nachricht!“, finde ich.

Beate Allmenröder