16. „Heinzelmännchen“ - Eilige Eltern und eifrige Kinder

„Uns hat ein tolles Buch geholfen“, erklärt Sophies Mutter.

(Foto: M. Ihle)

„Ihr dürft kommen!“ Sieben rotbackige Kindergesichter tauchen in der Tür des Seminarraums der Familienbildungsstätte auf, um die Eltern zum Essen zu rufen. Die hatten in den vergangenen zwei Stunden Küchenverbot. Eltern-Kinder-Seminar: “Wie vermitteln wir unseren Kindern Erfahrungen von Selbstwirksamkeit?“ Das Küchenverbot für Eltern hatte Frau Bernhard, die in der Küche die Kids anleitet, gar nicht geplant. Aber die 7 Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren waren sich sofort einig: Das Ansinnen der Eltern, die Kinder mal zwischendurch in der Küche zu besuchen, muss abgelehnt werden. Die Küche ist jetzt Kinderterrain! Eltern nicht zugelassen! Erst als ein wunderbares Frühstückbuffet fertig angerichtet ist, dürfen die Erwachsenen kommen, schauen, staunen – und genießen! Frau Bernhard lobt ausdrücklich die 9-jährige Sophie, die ihr in der Küche mit den vielen doch noch sehr kleinen Kindern eine echte Hilfe gewesen sei. „Man merkt, dass Sophie zu Hause oft in der Küche arbeitet! Ohne sie wäre das heute für mich schwer gewesen.“ „Bei uns muss immer der kochen, der zuerst zu Hause ist. Und das ist zweimal in der Woche Sophie“, erzählen die Eltern beim Essen.


Mein Part im Seminar ist es, die Gesprächsrunden der Eltern zu moderieren. Nachdem die Köstlichkeiten, die die Kinder unter Anleitung der Ernährungsfachfrau zubereitet hatten, alle verspeist waren, räumen die Kinder die Küche auf. Die Eltern setzen sich zur Auswertungsrunde zusammen.


„Selbstgebackene Brötchen, Kräuterquark, Marmelade… - toll, was die Kinder uns da aufgetischt haben!“ „Schön, zu sehen, wie stolz die Kinder waren!“ „Köstlich und gesund dieses Frühstück!“ „Ein schöner Vormittag, die Kinder waren beschäftigt und die Erwachsenen konnten sich mal in Ruhe unterhalten.“ Nachdem die Begeisterung ausgetauscht war, kommen auch Bedenken. „Hier kann man die Kinder kochen lassen, sie werden fachgerecht angeleitet, aber im Alltag habe ich doch keine Zeit dazu“, sagt eine Mutter. „Wenn ich es selbst mache, geht es schneller!“ spricht eine andere Mutter den typischen Satz aus, den wohl alle Eltern kennen. „Und das Chaos anschließend in der Küche? Nee, zu Hause will ich die Kinder nicht in der Küche haben!“ „Woher nehmen Sie die guten Nerven, wenn Ihre Kinder zuhause alleine kochen dürfen,“ werden Sophies Eltern angesprochen. „Was heißt hier dürfen? Wir haben die Kinder doch in die Welt gesetzt, damit sie uns den Alltag erleichtern. Kinderarbeit - nicht nur in der dritten Welt, ist meine Devise“ scherzt der Vater.


„Uns hat ein tolles Buch geholfen“, erklärt Sophies Mutter. „Bei der Verbraucherzentrale gibt es „Mahlzeit, Kinder“. Darin ist eine Tabelle, ab welchem Alter Kinder was können. Da steht, dass ein 3-jähriges Kind lernen kann, mit einem scharfen Messer umzugehen. Mit 8 Jahren kommen dort schon die letzten Küchenlektionen.“ „Ja, bei uns haben alle 3 Kinder von klein auf mitgeholfen – und ziemlich schnell ist das eingetreten, was wir ja auch heute erlebt haben: Wir wollen alleine kochen!“, erzählt der Vater weiter. „Du warst da ziemlich cool“, sagt nun Sophies Mutter. „Ich war ängstlicher als mein Mann – ich habe immer erst ein paar Mal mit den Kindern ausprobiert, ob sie wirklich schon mit heißem Wasser, heißem Fett, dem Mix-Stab usw. zu recht kommen. Aber mein Mann hat mich dann immer überzeugt, dass die Kinder ja auch einen eigenen Überlebenswillen haben. Und dass sie umso geschickter sind, je früher sie es üben.“ „Bis die Kinder in die Schule kommen, lässt man sie doch sowieso noch nicht so viel alleine. In dieser Zeit haben wir sie angelernt – und jetzt hat sich unser Einsatz voll amortisiert“. Sophies Mutter lacht: „So drückt es der Geschäftsmann aus. Aber es ist wahr: Wenn unsere Kinder im Alltag nicht selbständig mittun würden, könnten wir nicht beide voll berufstätig sein.“ Da fliegt die Tür auf und 7 Heinzelmännchen fegen herein: „Fertig aufgeräumt. Die Küche ist sauber!“ rufen sie durcheinander. „Zuhause mach ich morgen das Frühstück – alleine, aber Du sollst aufräumen“, ruft das Kind, dessen Mutter die Angst vor dem Küchenchaos hatte. Sophies Vater kommt ihr zu Hilfe: „Bei uns gilt für Kinder unter 6 Jahren Arbeitsteilung: Wer schon das Essen macht, muss nicht auch noch aufräumen.“

Beate Allmenröder